Muskeln im Nadelstreif

Als Premium Marke von Nissan zielt Infiniti mit dem Q50 direkt ins Zentrum der gehobenen Mittelklasse. Wir testen, ob sich der vowiegend deutsche Mitbewerb vor dem 364 PS starken Hybriden fürchten muß.

Text und Fotos: Johannes Toth

Obwohl der Q50 bereits seit 2013 im japanischen Werk in Tochigi produziert wird – gemeinsam mit seinen großen Infiniti-Geschwistern sowie Oberklasse-Limousinen und Sportwagen von Nissan – ist er in unseren Breiten eher selten gesehen. Um ihn kurz zu verorten: mit 4,8 m Länge, einem Kofferraumvolumen von bis zu 500 Litern und einem Basispreis von 40.285 Euro reiht er sich dimensionsmäßig knapp über BMW 3er, Mercedes C-Klasse, Audi A4 und Konsorten.

Als hochwertige Nissan-Tochter beeindruckt Infiniti auch beim Q50 wieder mit einem spannenden Design, das optisch eindeutige Familienzugehörigkeit zeigt und an dem wir uns nicht so schnell satt sehen werden. Das gilt sowohl für das Exterieur, als auch für das Interieur. Die verwendeten Materialien sind durchwegs hochwertig, – wir sagen nur: schöne Metallteile und Doppel-Steppnaht im Leder – und erfreuen durch angenehme Haptik. Das Bedienkonzept ist großteils logisch und vieles lässt sich individuell konfigurieren.

Die Sitze halten uns eng umschlungen und geben guten Seitenhalt. Der Beifahrer wird vom Cockpit umschlossen und ins Fahrgefühl miteinbezogen. Beim Stoppen des Motors mittels Stop-Knopf fährt der elektrische Fahrersitz nach hinten, um ein bequemeres Aussteigen zu ermöglichen. Das würden wir bei diesem eher in Richtung sportlich tendierenden Fahrzeug nicht erwarten und es birgt auf Grund der Platzverhältnisse im Fond die Unzulänglichkeit, daß dem hinten sitzenden Passagier in diesem Augenblick jedesmal die Beinfreiheit empfindlich reduziert wird. Sozusagen des einen Freud, des anderen Leid.

Das Thema Datensicherheit nimmt Infiniti sehr ernst. Nach absolut jedem Startvorgang erscheint im Display die Meldung „…Zugriff durch Nissan zur Erfassung und Übermittlung von Daten…“. Wir können nun zustimmen mit OK, ablehnen oder abbrechen. Abgesehen davon, daß das tierisch nervt, stellt sich zudem die Frage nach dem Unterschied zwischen ablehnen und abbrechen bzw. OK und abbrechen.

Obwohl wir nie OK gewählt haben, fragt das Navi nach mehreren Tagen im selben Carport: „Heimort noch nicht gespeichert. Soll ich speichern?“ Was will uns das Auto damit sagen? Fühlt es sich einsam – wurde der Q50 in seinem kurzen Autoleben immer nur kalt hochgedreht, grauslich geschunden und danach unter nassen Laternen im Freien abgestellt? Und glaubt er jetzt vermeintlich, endlich einen treuen Freund und ein trockenes Zuhause gefunden zu haben? Wir werden es leider nie erfahren.

Spaß haben kann man mit dem Q50S Hybrid jedenfalls. Das Fahrwerk ist straff, die Bremsen verzögern sehr ordentlich. Der 3,5 Liter V6 Benzinmotor klingt leise und trotzdem kernig. Im Sport Modus des 7-Gang Automatik-Getriebes quietschen die Reifen vor Freude beim Voll-Anfahren in der Kurve und das Heck schmiert sanft weg. Denn unterm Blech werden 306 PS des Verbrennungsmotors mit 68 PS des Elektromotors zu einer Gesamtleistung von 364 PS mit 564 Nm Drehmoment kombiniert, was uns in 5,4 Sekunden auf Tempo hundert schnalzt und bei 250 km/h abregelt.

Das Umschalten zwischen Elektro- und Benzinmotor geschieht vollkommen rucklos und ist auch beim langsamen Dahinrollen kaum hörbar. Der große Motor läuft bauartgemäß sehr leise. Bei hoher Autobahngeschwindigkeit nehmen leider die Windgeräusche stark zu.

Generell gesehen ist dieser Infiniti eher ein Auto zum flotten Gleiten als zum schnellen Hetzen. Das zeigt sich auch an der Schaltprogrammierung der Automatik, die relativ rasch einen Gang höher einlegt, wenn wir den Zug der Beschleunigung wegnehmen. Der Schaltvorgang selbst dauert – auch mit den Wippen gesteuert – manchmal gefühlt etwas zu lange. Heutzutage unbegreiflich ist der riesige, lange Schalthebel, der zwar als Handablage praktisch ist, sonst jedoch im wahrsten Sinn des Wortes im Weg herumsteht.

Vom Raumkonzept her ist das Fahrzeugs für zwei Personen oder eine Familie mit kleinen Kindern zu empfehlen. In den hinteren Türen gibt es keine Türablagen und über 180 cm Körpergröße wird es im Fond eng um den Kopf. Da unser Hybridmodell Platz für die Energiespeicher benötigt, fehlt eine klappbare Sitzbank mit Durchlademöglichkeit und das Kofferraumvolumen wird von den 500 Litern der Q50 Benzinmodelle auf 400 Liter eingeschränkt. Der Fußraum für den linken Fahrerfuß ist knapp bemessen. Das liegt eventuell daran, daß die Feststellbremse keinen Handbremshebel aufweist, sondern via Fußbremshebel betätigt werden will. Erinnert uns etwas an die alten Mercedes Diesel vom Opa.

Einen Fehler im System geben wir den Infiniti Ingenieuren noch mit ins Aufgabenheft für die nächste Modell-Überarbeitung: beim Betätigen des Motor-Stop-Knopfes geht der Radio aus. Na gut, – lästig aber eventuell verkraftbar. Es schaltet aber auch die Freisprechanlage des Handys ab. Das ist lästig und nicht verkraftbar.

Wegen der Kosten: ein Q50S Sport Tech Hybrid AWD wie der unsere schlägt mit 67.550 Euro zu Buche. Der ist dann serienmäßig wirklich toll und voll ausgestattet. Die Optionspreisliste bietet als weitere Verbesserungen nur noch die Möglichkeiten Glasschiebdach und die offenbar auch hier unvermeidbaren Option Metallic-Lack. Den Verbrauch gibt Infiniti mit 6,8 Litern auf gemischten 100 km an. In unserem Testbetrieb lagen wir bei 8,9.

Plus

+ hochwertige Materialien

+ spannendes Design, das sich aus der Masse hervorhebt

+ kräftiges Hybridsystem, das Fahrspaß bietet

+ logisches Bediensystem bzw. Menüführung

+ umfangreiche Sicherheitsassistenten

+ feines Bose-Soundsystem

Minus

– bei Motor-Aus schaltet Handy-Freisprecheinrichtung ab

– nach jedem Motorstart möchte das Menü die Bestätigung, daß der Fahrer den Datenzugriff erlaubt

– in Österreich noch kleines Service- und Händlernetz, obwohl als Marke schon länger verfügbar

– hinten keine Türablagen

Resümee:

Der Q50S Hybrid bringt flottes Gleiten im Nadelstreif, denn Kraft bis zum Abwinken bedeutet Spaß beim Fahren. Leider fordert die Batterie des Hybridsystems platzmäßig ihre Opfer. Wer sicher sein will, dass seine Umgebung nicht das gleiche Auto fährt und wer sein redlich verdientes Geld auf dezent-elegante Art ausgeben möchte, wird mit dem Infiniti seine Freude haben.